Mein Weg zum Flugbegleiter: Das dritte Assessment-Center

Wie bereits erwähnt, hatte ich die knapp zwei Stunden beim Assessment Center in Wien schnell abgehakt und mich gar nicht weiter damit beschäftigt, denn schon eine Woche später stand der nächste Termin an, an den ich insbesondere nach Wien eigentlich ohne Erwartungen heranging, gleichzeitig aber auch mit der Alle guten Dinge sind drei-Einstellung…

Vorbereitungen und Anreise

Wie schon bei der Lufthansa, gab es bei SunExpress Deutschland vor der Einladung zum Assessment Center einen kleinen Online-Test, welcher hier allerdings nicht nur Englisch-Kenntnisse umfasste, sondern auch Allgemeinwissen, Deutsch und ein wenig Kopfrechnen. Für den Test hatte man meine ich zehn Minuten Zeit, die locker ausreichten, es gab nur wenige Fragen, bei denen man ein wenig nachdenken musste, zum Beispiel wie viele Business Class-Plätze es bei SunExpress gibt. Auch sind geographische Grundkenntnisse in Sachen Türkei (Hauptstadt, größte Stadt, angrenzende Meere) gut zu wissen, da SunExpress ein Joint Venture der Lufthansa und Turkish Airlines ist.

Diese Hürde gemeistert gab es eine Einladung zum Assessment Center in München, dieses Mal nicht direkt am Flughafen, sondern in einem daneben liegenden Ort namens Schwaig, der aber vom Flughafen via kostenlosem Shuttle erreichbar ist. Mich persönlich betraf das nicht, denn im Gegensatz zur Lufthansa und wie schon bei Eurowings wurden keinerlei Reisekosten erstattet und da fuhr ich dann am flexibelsten mit dem Auto die 220km von Schwäbisch Gmünd nach München. Es ging um 10 Uhr los, laut erster Google Maps-Auskunft dauerte die Hinfahrt 2:20h, also plante ich mit der Abfahrt um 7 Uhr und setzte diese auch fast ohne Verspätung und nur ein wenig in Eile auch um.
Ohne Hindernisse sollte die Fahrt aber nicht sein, denn der Weg zur A7 über Böhmenkirch war leider gesperrt, sodass ich mir wieder die B10 in Richtung Ulm antun musste, ehe ich auf die A8 Richtung München kam.

Während der Fahrt hatte Onkel Google einen halbstündigen Stau auf dem Münchener Ring/A99 identifiziert, wo das Navi meinte auf der Autobahn bleiben wäre am besten. Für den Zeitfaktor eventuell (werden wir leider nie herausfinden), für meine Nerven aber definitiv nicht, also fuhr ich schon 20km vor München von der Autobahn und schlängelte mich über die Bundesstraße und Dachau zur A92. Mit einigen Staus hier und dort kam ich dann final um 9:50 an der Straße an, fand ein Stück entfernt einen Parkplatz, zog mir Hemd und Jackett teilweise in Mr. Bean-Manier während des Gehens an (an dem Tag waren es sicher 35 Grad und mein Auto hat bekanntlich keine Klima, ergo wollte ich so wenig wie möglich an haben während der Fahrt) und fand mich kurz vor 10 Uhr dann am Gebäudeeingang ein, wo mir zwei Mitarbeiter halfen, reinzukommen und nach einer unkomplizierten Anmeldung am Empfang, einer kurzen Treppe und einem langem Gang fand ich mich in dem Raum wieder, in dem ich heute den größten Teil des Tages verbringen würde…

Vorstellung und das persönliche Interview

Dieser Raum war eher lang wie breit und die darin aufgestellten Tische ergaben eine U-Form, an der vor mir schon 13 andere Bewerber Platz genommen hatten, eine Person kam tatsächlich noch nach mir. Vor Ort waren zwei Betreuer von interpersonal, dem Unternehmen, bei dem man zu Beginn zunächst angestellt ist und welches sich um die Auswahl der Bewerber kümmert. Zwei Flugbegleiter von SunExpress waren leider kurzfristig verhindert, von ihnen gab es daher nur Grüße. Nachdem jeder Bewerber eine Chip-Karte zum Verlassen und Betreten des Gebäudes und ein Namensschild bekommen hatte sowie zwei, drei allgemeine Fragen (u.a. Flugerfahrung, frühestmöglicher Beginn) gefragt wurden, ging es los mit einer kurzen Vorstellung des Unternehmens und des geplanten Tagesablaufs seitens der zwei Betreuer, ehe es insgesamt eine Dreiviertelstunde später Zeit war für die Einzelgespräche und einen Computer-Test. Die Einzelgespräche wurden in alphabetischer Reihenfolge durchgeführt und dauerten ungefähr zehn Minuten pro Person. Nach den beiden Assessment-Center-Terminen in München und Wien wusste ich in etwa was auf mich zukommt und hatte potentielle Antworten auf die üblichen Fragen vorher ein wenig tiefer vorbereitet (ganz nach dem Motto man lernt aus seinen Fehlern). So umfasste meine Antwort auf „Wie würden Sie ihre Freunde beschreiben?“ nicht nur mein perfektionistisches und abenteuerlustiges (letzteres aber auf professionellem Niveau), sondern auch spontane und soziale Kompetenzen. Gleichzeitig verheimlichte ich bei meinen Schwächen nicht meine Schüchternheit zu Beginn von Situationen, wobei jene im privaten vielleicht stärker ausgeprägt ist wie im beruflichen Umfeld. Verständlicherweise interessierte sich die Interviewerin ausführlich dafür, wieso ich als Informatik-Student denn Flugbegleiter werden wolle, auf Englisch durfte ich darüber hinaus beantworten wie ich denn zur Informatik kam, ehe sie den englischen Teil schon abschloss, weil ihr das wohl im positiven Sinne ausreichend war. Anderen Bewerbern wurden teilweise auch noch die sonstigen üblichen Fragen („Wieso Unternehmen XY?“, „Was zeichnet Sie besonders für den Job aus?“, etc.) gestellt, insgesamt waren die Fragen gerade auch durch die Routine meinerseits zu meistern, wobei ich sicher auch ein wenig Glück hatte.

Der Computer-Test

Zurück im Warteraum ging es nach ein wenig überbrückter Zeit für den hinteren Teil des Alphabets zum Computer-Test, welcher in mehrere Kategorien aufgeteilt war, für die man insgesamt 20 Minuten Zeit hatte. Dazu gehörten Allgemeinwissen (z.B. „Wo steht jenes Gebäude?“ (mit Bild des Brandenburger Tors)), Deutsch- und Englischkenntnisse (Lückentexte), Service (Verhalten bei „aufmüpfigeren“ Passagieren) sowie einen Mathe-Teil, bei dem viele vielleicht Panik schieben, bei dem ich aber schmunzeln musste. In jenem Teil gab es zunächst einige Kopfrechen-Aufgaben, d.h. es wurde einem eine Zahl angezeigt (bspw. 15), danach eine Rechenoperation (bspw. +), dann wieder eine Zahl (bspw. 7) und dann nochmal Rechenoperation & Zahl, wonach man die Gesamtsumme in ein Feld eingeben musste. Die anspruchsvolleren Aufgaben kamen aber erst danach, denn es wurde eine Bordkarte mit Getränken und Speisen eingeblendet (die ganze Zeit 😀 ) und daneben stand eine typische Schul-Textaufgabe, wie zum Beispiel: „Passagier 27A bestellt eine Cola und ein Sandwich, Passagier 27B einen Kaffee und einen Schokoriegel. Wie viel zahlt Passagier 27B?“.
Allgemein liebe ich solche Aufgaben, in denen Informationen enthalten sind, die für die Lösung der Aufgabe absolut irrelevant sind 😀 Diese Fragen wurden dann aber auch noch komplizierter, denn gelegentlich hat Passagier 27B auch die Rechnung von Passagier 27A übernommen und dann musste man teilweise bis zu 6 oder 7 Sachen im Kopf zusammenrechnen. Vereinfacht wurden diese Aufgaben aber im Gegensatz zu den Kopfrechen-Aufgaben dadurch, dass man für die finale Summe aus vier Möglichkeiten wählen konnte und nichts eingeben musste.

Letztendlich war ich als erster mit den Tests fertig und machte mich wieder zurück in den Warteraum. Wenn man ein wenig Allgemeinwissen hat, die beiden Sprachen kann, etwas im Kopf rechnen kann (einer hatte vor Beginn des Tests gefragt, ob man Blatt und Stift verwenden darf 😀 ) und sich wegen des Bezugs zur Türkei auch noch mal ein wenig die Geographie des Landes anschaut (umgebende Meere, Hauptstadt, größte Städte), dann sind die Tests meiner Meinung nach keine große Herausforderung gewesen.

Anschließend hieß es warten, bis alle durch die Interviews durch waren und jene ausgewertet wurden, was bis immerhin 15 Uhr dauerte. Wenigstens gab es Brötchen, kalte und warme Getränke und sehr nette andere Bewerber, mit denen wir uns alle ausgetauscht haben und die ich schon da ein klein wenig ins Herz geschlossen hatte 😀
Die Stimmung war auf jeden Fall deutlich entspannter und familiärer als beim Assessment-Center in Wien, was vielleicht auch daran lag, dass die Bewerber alterstechnisch viel breiter gefächert waren und es wie immer spannend war zu erfahren, woher andere in diesen Tätigkeitsbereich kamen.

Wie dem auch sei, folgte kurz nach 15 Uhr die Durchsage, dass alle im zweiten Teil des Tages dabei sein durften, bis auf zwei: Bei einem waren es zu komplizierte und auch persönliche Gründe, die zu seinem Ausscheiden geführt haben, als dass ich sie hier groß ausführen möchte, der andere wurde einfach deshalb für die Gruppenübung nicht benötigt, weil er schon mehr als 25 Jahre Flugerfahrung hatte (FÜNFUNDZWANZIG! Das ist mehr als ich überhaupt lebe 😮 ).

Die Gruppenübung

Nachdem den anderen Bewerbern genauso wie mir ein Stein vom Herzen gefallen war, begannen die beiden Betreuer mit den Vorbereitungen zur Gruppenübung. Wir hatten unter den Bewerbern eine Person dabei, die schon mal bei so einer Übung dabei war, da kamen dann gleich Fragen auf, was wir beachten sollten, was am wichtigsten wäre, und so weiter. Auf den Punkt gebracht war das wichtigste offenbar die Kommunikation untereinander, was dann dafür sorgte, dass wir uns innerhalb von fünf Minuten alle die Vornamen der anderen einprägten, was erstaunlich gut funktioniert hat muss ich sagen (habe ich schon erwähnt, dass ich die anderen ein wenig in mein Herz geschlossen hatte? 😀 ).

Auf jeden Fall wurden die ersten sieben (Hälfte bei ungerader Gesamtzahl ist etwas schwer) wieder in den Interview-Raum gebeten, wo zwei Flugzeugtrolleys mit diversen Getränken, Snacks und anderen Utensilien aufgebaut waren. Wir sieben wurden auf zwei Gruppen aufgeteilt und jede Gruppe sollte sich anhand einer Liste darum kümmern, dass in ihrem Trolley alle vorgegebenen Artikel in entsprechender Stückzahl vorhanden waren. Zudem hatte jeder der einen bzw. anderen Gruppe ein rotes oder blaues Kärtchen bekommen und auf jedem Artikel war ein roter oder blauer Aufkleber vorhanden. Nach ein paar Minuten wurde uns auch gesagt wofür, nämlich durfte man mit blauem Kärtchen nur Sachen anfassen, die auch einen blauen Aufkleber hatten und anders herum.
In insgesamt acht Minuten sollten wir die Sachen organisiert bekommen und dabei auch noch alkoholische von nicht alkoholischen Getränken getrennt halten genauso wie Snacks von Getränken im Allgemeinen. Während ich mich zu Beginn ein wenig zurückhielt und in der Retrospektive gerade die Kommunikation hätte stärker ausleben können, stellte ich irgendwann fest, dass es von nahezu allem nicht genug gab um beide Wagen vollständig zu befüllen (mein analytisches Ich sagt Hallo). Hatten wir bis zu dem Zeitpunkt dafür gesorgt, dass bei jedem Artikel zumindest ein Wagen vollständig war (Beispiel: Zu Beginn waren in unserem Trolley 20 Cola-Dosen, es sollten pro Wagen aber 12 sein; unsere erste Aufteilung war dann 8 im anderen Wagen und 12 in unserem; und das ganze anders herum bei den Flaschen Apfelschorle), schlug ich irgendwann vor, das ganze gleichmäßig aufzuteilen (also im Beispiel 10 Dosen/Trolley), was wir in der verbliebenen Zeit auch versucht haben umzusetzen.
Zum Abschluss der Gruppenübung wurde jeder noch ganz kurz nach den Inhalten befragt, ob die vorhandenen Sachen ausgereicht haben, etc., ehe wir uns wieder zurück in den Warteraum bewegen durften und die zweite Gruppe drankam.

Abschließendes Feedback

Nach der zweite Runde der Gruppenübung folgte eine kurze Besprechung der abgegebenen und noch fehlenden Dokumente (in meinem Falle fehlte noch ein polizeiliches Führungszeugnis aus Österreich und Großbritannien, weil ich da in den letzten zehn Jahren mal gelebt habe) und drei Leute wurden noch einmal zu einem kurzen Gespräch gebeten – natürlich war ich auch dabei… Bei den anderen beiden ging die Interviewerin nochmal auf deren Deutsch-/Englisch-Kenntnisse ein, bei mir auf das bereits oben erwähnte zu Beginn etwas schüchterne, was ich in der spontanen Retrospektive der Gruppenübung in dem Moment zwar bestätigte, aber auch erwähnte, dass ich spätestens bei meiner Erkenntnis der sowieso nicht möglichen Komplettbefüllung der Trolleys deutlich aktiver dabei war. Gleichzeitig meinte die Dame auch, dass meine Leistungen in den Tests wiederum sehr positiv gewesen seien; insgesamt hätte man jeden ihrer Sätze für sich als Zu- oder Absage deuten, wirklich gesagt hat sie allerdings nichts, was das warten die nächsten zwei Tage noch schwieriger machte.

Gegen 17:30 endete auf jeden Fall der Assessment-Center-Tag, wir Bewerber hatten uns untereinander in einer WhatsApp-Gruppe zusammengefunden (siehe oben, in mein Herz schließen und so 😀 ) und nun hieß es warten.

Die Rückfahrt

Der sommerliche August-Tag sorgte für Temperaturen jenseits der 30 Grad-Grenze, was natürlich bei einem nicht klimatisierten Auto zu Freudensprüngen einlädt, wenn einem bewusst wird, dass man noch knapp drei Stunden Fahrt vor sich hat. Oder so. Wenigstens stand mein Auto halb im Schatten und bevor ich losfuhr, entledigte ich mich nicht nur meinem Jackett und meinem Hemd wie schon bei der Rückfahrt, sondern auch der langen Hose – und trotzdem spürte ich den Schweiß auf der Stirn. Neben einer kurzen Rastplatz-Pause um was zu essen und zu trinken verlief die Fahrt sehr ruhig, hatte man einmal den Münchener Ring hinter sich gelassen. Hätte ich an dem Tag so früh gehen müssen, wie in Wien, dann wäre ich an dieser Stelle noch zur Gedenkstätte in Dachau gefahren, um 18 Uhr hatte jene aber schon zu und ich wollte ehrlich gesagt auch nach Hause. Allerdings machte ich bei der Durchfahrt durch Degenfeld, dem Geburtsort der Skispringerin Carina Vogt, eine kurze Pause, weil ich mir die dortigen Skisprungschanzen mal anschauen wollte (die große wurde einige Wochenenden zuvor eröffnet, was in der Zeitung stand, und es gab ein großes Aufgebot an Prominenz des Sports, leider war ich an dem Wochenende aber in Bonn). Nach zwei Stunden Autorauschen bei einer dieses Mal doch ruhigeren Fahrweise nutzte ich den Moment Stille und Natur auch zum Durchatmen, um den Tag selbst für mich ein wenig Revue zu passieren und um ein wenig das Auto zu lüften…

Am darauffolgenden Tag gab es ein zweites Assessment-Center, weil SunExpress für Eurowings die Langstrecke fliegt und es ab Frühjahr auch von München aus Flüge geben wird, und wiederum am Tag darauf folgten dann die Zu-/Absagen und aus unserer 13-köpfigen Gruppe haben es soweit ich überblicken kann neun geschafft – mittlerweile ist es kein Geheimnis, dass ich dazugehörte… 🙂

Das Auto musste mal gelüftet werden, weil es so warm war...

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